Hallo liebe Blog-FreundInnen!
Ganz im Sinne des diesjährigen Bachmann-Preises in Klagenfurt, einem echt literarischen Event der Superlative, stelle ich euch einen jungen Autoren vor, der allerdings nicht namentlich genannt werden möchte. Ich finde seine Geschichtemehr als schräg, triefend vor schwarzem Humor und echt witzig. Aber lest selbst!
Der ungenannte Newcomer und ich freuen uns auf eure Kommentare!
Los gehts:
Susi,
die Socke
„Schlechtes Timing, verdammt
schlechtes Timing“,
schimpfte Susi wütend und ballte die Fäuste. Sie freute sich gerade
auf einen gemütlichen Feierabend im Korb für Schmutzwäsche – und
jetzt das! Susi war eine Socke, genauer gesagt ein Nylonsöckchen,
und hatte heute einen äußerst anstrengenden Tag zu überstehen
gehabt. Als sie nun endlich ausgezogen und von ihrer Trägerin
lieblos zur gebrauchten Wäsche geschleudert wurde, sehnte sie sich
schon nach einigen ungezwungenen Stunden, die sie bei dem einen oder
anderen Bierchen zu verbringen gedachte. Doch da machte sie die
Rechnung ohne Sandra. Sandra war die Besitzerin Susis und diese
entledigte sich nun vor dem Schlafengehen auch noch ihres kessen
Röckchens, das ihr tagsüber mehrere anerkennend-lüsterne Blicke
ihrer Bürokollegen eingebracht hatte. Der Rock landete ebenso im
Schmutzwäschekorb – und kam dabei dummerweise genau auf Susi zu
liegen.
„Kein Vergnügen wird einem
gegönnt“, ärgerte
sich Susi und schnappte nach Luft, „wenn
du scheiß Rock doch bloß nicht so verdammt schwer wärst. Und dein
Geruch gemahnt auch nicht gerade an einen in der Blüte stehenden
Fliederstrauch. Vermutlich hat die Alte heute wieder zum Mittagessen
zu viele Bohnen zu sich genommen, obwohl sie doch genau weiß, dass
ihr das nicht wohl bekommt. Und dann im Laufe des Nachmittags wieder
hemmungslos herumgefurzt, wie nur sie es konnte. Ich armes Schwein
kann das jetzt ausbaden!“
Sandra liebte diese saftigen Bio-Bohnen, die es jeden Mittwoch als
Beilage zu einem Fleischgericht in der Kantine gab und nahm dafür
gerne in Kauf, dass deren Genuss eben massivste Blähungen
evozierten. Für jedes Böhnchen ein Tönchen, und für jede Bohne
eine Kanone. Der Minirock war angesichts der Schärfe von Susis
Wutrede ziemlich eingeschüchtert. Sandra hatte ihn erst vor kurzem
gekauft und heute das erste Mal getragen. Er konnte also mit den
manchmal doch etwas ruppigen Gepflogenheiten im Wäschekorb noch
nicht so vertraut sein. Schließlich stammelte er verlegen: „Sorry,
Susi, ich hab mir diesen Platz doch auch nicht ausgesucht. Ich werde
versuchen, mein Gewicht ein wenig auf die Seite zu verlagern, damit
du es etwas angenehmer hast. Und dass ich nicht so gut rieche … ja,
mein Gott, wir sind hier nun einmal bei der Schmutzwäsche. Was
erwartest du denn?“
„Schon gut, schon
gut“, fiel ihm Susi
barsch ins Wort.
Die Socke Susi verfügte generell
über ein leicht aufbrausendes Wesen und war ausgesprochen
temperamentvoll. Allerdings konnte sie in den meisten Fällen ihren
Jähzorn recht gut beherrschen, doch wenn sie zu tief ins Glas
geschaut hatte, ging man ihr besser aus dem Weg. Stand Susi unter
übermäßigem Alkoholeinfluss, so verstärkte dies ihre latente
Gewaltbereitschaft, wovon auch zahlreiche Einträge im
Vorstrafenregister ein beeindruckendes Zeugnis ablegten. Zeit ihres
Lebens wurde sie von regelmäßig wiederkehrenden depressiven
Anwandlungen heimgesucht, die sich meist in Form unkontrollierter
Fressattacken äußerten. Susi nahm sich fest vor, bei ihrem nächsten
Besuch beim Hausarzt dieses heikle Thema anzusprechen und allenfalls
gar eine therapeutische Behandlung in Erwägung zu ziehen.
Selbstverständlich durften davon ihre Artgenossen im Kleiderschrank
nichts mitbekommen. Was niemand wusste und auch Susi selbst niemals
zugeben würde: sie befand sich in einer veritablen Midlife-Crisis.
Der Glanz früherer Tage, als sie gerade erst der Verpackung
entschlüpfte und den Fuß ihrer Besitzerin verschönern durfte, war
nach etlichen Waschgängen längst einer nichtssagenden Mattigkeit
gewichen. Susi spürte langsam jede Faser und ahnte instinktiv, dass
der Tag nicht mehr ferne schien, an dem sie erstmalig einer
Laufmasche gewahr werden würde. Daran hatte aber auch Sandra ein
kleines bisschen Schuld, da diese aus Prinzip stets um eine Nummer zu
enge High-Heels trug und dieserart Susis Leidensfähigkeit über
Gebühr strapazierte.
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