Ich habe euch im letzten Post ein Spiel vorgestellt, dass mir persönlich am Herzen liegt, denn sein Erfinder ist ein guter Freund von mir und mein Masseur - und er ist ist blind.
Vor ein paar Jahren habe ich ein Interview mit ihm für die Kneipp-Zeitschrift geführt, wo wir uns auch kennenlernten. Diesen Artikel stelle ich euch zum Lesen ein. Viel Freude, spannende und nachdenkliche Minuten!
Eure sfb
Interview
Norbert Dornauer
"Der
Hunger ist aktuell!" sagt uns Norbert Dornauer, blinder Masseur
und
Spielerfinder,
in einem berührenden Interview. Engagiert setzt er sich trotz
seines
Handicaps mit ganzer Kraft für arme, kranke Menschen in Afrika und
Indien
ein.
Seine
Biografie ist gelinde gesagt außergewöhnlich. Mit sieben Jahren
wies
Norbert
Dornauer eine Sehkraft von rund 130% auf, üblich sind 111 bis 113 %.
Doch
dann passierte das Unglaubliche - die völlige Erblindung mit acht
Jahren.
Nicht nur er ist davon betroffen, auch seine beiden Brüder
erblindeten
mit jeweils acht Jahren.
Ein
Familienschicksal, das seinesgleichen sucht, doch nirgends
dokumentiert
ist.
Nach 31 Attesten bei verschiedenen Fachärzten in Europa und den USA
mit
unklaren
Schlussfolgerungen, fügte sich der lebensfrohe Tiroler in sein
Schicksal
und machte und macht heute das Beste daraus.
Nach
der harten, doch lehrreichen Schulzeit (teilweise Blindenschule in
Wien)
wurde Norbert Dornauer beruflich in der Telefonvermittlung geschult
und
eingesetzt. Doch das entsprach so gar nicht seinem Berufswunsch, denn
die
Frustration und Ungehobeltheit seiner Telefonpartner deprimierte ihn.
Er
strebte
den Beruf Masseur an. Was sich sehr schwierig gestaltete, denn von
172
Bewerbungen für eine Grundausbildung kam lediglich eine Zusage.
Doch
Norbert Dornauer ist hartnäckig, fleißig und zielstrebig. Insgesamt
156
weiterbildende
Kurse absolvierte er erfolgreich. "Auch wenn es teilweise
sehr
schwer für mich war die Kurse zu besuchen, denn ich wurde als
Blinder
oft
quasi ignoriert....ich machte und mache weiter, um wirklich gut in
meinem
Beruf zu sein!" so der Kommentar.
Auch
sportlich (Langlauf, Schwimmen, Tandemradfahren) ist Norbert Dornauer
sehr
aktiv und hat einige Pokale für seine Leistungen in seinem
Wohnzimmer
stehen.
Sein beruflicher und sportlicher Ehrgeiz ist aber nur Teil seines
Lebens.
Er
engagiert sich mit Vehemenz für das Lepradorf im Senegal, die
Christoffel-Blindenmission
mit dem Schwerpunkt grauer Star, für die
Gehsteigmenschen
und Hauswandbewohner in Indien und hat dafür ein Spiel
entwickelt,
wo ein Teil des Verkaufserlöses in diese Projekte fließt. Ein
außergewöhnlicher
Mensch sitzt uns beim Interview ohne schwarze Brille
gegenüber,
lacht über so manchen kleinen Scherz und lässt uns nachdenklich
werden.
Interview:
S.
Filipot-Bacher:
Herr
Dornauer, wieso engagieren Sie sich ausgerechnet für die
leprakranken
Menschen
in Afrika?
N.
Dornauer:
Diesen
Menschen wurde quasi alles genommen, tausende Hektar Land und nun
noch
die Fischereirechte. Ich habe diese Ungerechtigkeiten der reichen
Länder
und die Ausbeutung gegenüber der ohnehin schon armen Länder einfach
satt, da muss etwas geschehen.
Nehmen
wir als Beispiel den Fisch: Fisch wäre ein sehr guter
Eiweißlieferant
für
Leprakranke. Lepra entsteht ja durch Hunger, durch eine
Unterversorgung
der
wichtigsten Eiweiße und Vitamine, die der Körper eigentlich
braucht, um
zu
funktionieren. Das ist das Grundelement unserer Hilfe: eine
vernünftige
Ernährung
um Mangelerscheinungen vorzubeugen oder sie wenigstens
einzudämmen.
Darum haben wir im Lepradorf eine Hühnerfarm aufgebaut, denn Fisch
ist schwer oder gar nicht zu bekommen.
S.
Filipot-Bacher:
Gibt
es viele Leprakranke in Afrika?
N.
Dornauer:
Weltweit
sprechen wir hier von 24 - 30 Millionen Betroffenen! Unsere Hilfe
ist
nur der Tropfen auf dem heißen Stein, aber ungeheuer wichtig. Das
Lepradorf
in Senegal verfügt über die wichtigste Logistik und eine
Krankenstation
(Verbandstation), aber es ist noch so vieles zu tun! Auch
sprachlich
ist es schwierig, denn die Afrikaner sprechen in unheimlich
vielen
Dialekten - allein im Lepradorf haben wir es mit rund 20
verschiedenen Sprachen und dann noch den regionalen Dialekten zu tun!
Leprakranke brauchen vor allen Dingen eine gute Ernährung und die
hygienischen Grundvoraussetzungen, nur dann kann die Krankheit
gestoppt werden.
Das
Lepradorf ist einen Privatinitiative und völlig unparteiisch.
Weitere
Schwerpunkte unserer aktiven Hilfe für die Betroffenen sind
beispielsweise
Kleinkredite für die hinterbliebenen Frauen um eigenständig
leben
zu können oder eine Ausbildung am Computer für Kinder und
Jugendliche.
S.
Filipot-Bacher:
Wie
kann es ein, dass es heute noch Lepra gibt?
N.
Dornauer:
Hunger,
das Problem ist der Hunger der die Lepraerkrankung begünstigt. Diese
Menschen haben nichts und noch weniger, die ausgebeutete Erde gibt
nichts mehr her, dass sich noch anbauen ließe. Die Arbeitslosigkeit
ist hoch, den Familien gelingt es durch Gelegenheitsarbeiten ihren
Lebensunterhalt auf niedrigstem Niveau zu bestreiten. Das
Haupteinkommen ist der karge Fischfang und die Landwirtschaft. Ein
weiteres Problem ist die Wasserversorgung.
Im
Grunde versorgen sich die Menschen im Lepradorf mit den
bereitgestellten
Mitteln
selbst, außer jene 200 Schwerstbehinderten, die keine Arme oder
Beine mehr haben und auch keine Angehörigen, die ihnen helfen
könnten. Für diese Menschen kochen die Mitarbeiter vor Ort und
helfen wo sie können.
S.
Filipot-Bacher:
Wie
helfen Sie?
N.
Dornauer:
Ich
unterstütze mehrere Projekte und mache das von hier aus. Denn eine
Hilfe
bin
ich als Blinder in Afrika oder Indien wohl kaum (lächelt). So
versuche
ich
die richtigen Leute zusammen zu bringen, habe in der Landesregierung
vorgesprochen,
bin WHO Mitglied und habe das Spiel konzipiert, um auch
finanziell
zu helfen! Ich kann helfen, denn mir geht es ja gut, nicht so den
Menschen
in Afrika oder Indien. Die verhungern oft sehr langsam, haben Null
Perspektiven
und keine Möglichkeiten zur Bildung. Wir alle können etwas tun,
auch
ein kleiner Beitrag ist ein Beitrag! Wer aktiv helfen möchte, kann
sich
gerne
bei mir melden.
S.
Filipot-Bacher:
Welche
Projekte unterstützen Sie noch?
N.
Dornauer:
Nun,
da ist die Christoffel Blindenmission, die österreichische Tochter
vom
Projekt
"Licht für die Welt". Hier wird es Menschen in Äthiopien,
die an
grauem
Star erkrankt und dadurch blind sind, durch eine Operation
ermöglicht,
wieder zu sehen. Ich leiste meinen Beitrag durch das
Breitstellen
der dafür notwendigen Linsen. Bis dato haben wir schon 1000
Menschen
ihr Augenlicht wieder gegeben, das Ziel bis 2020 ist es, dass eine
Million
Menschen wieder sehen können. Außerdem gibt es Projekte in Indien,
die
mich zutiefst berühren. Als Beispiel die Gehsteigmenschen: sie leben
auf
dem
Gehsteig, Tatsache, haben rund 2 m² Lebensraum zur Verfügung und
müssen dafür noch Miete zahlen! Das ist unfassbar. Wir versuchen,
diese Menschen von der Straße zu bekommen und ihnen ein Heim zu
geben. Ein Unterfangen das enorme Unterstützung braucht. Ein Teil
meines Ertrages des Spieles geht in diese Projekte.
S.
Filipot-Bacher:
Wie
konnten Sie als blinder Mensch ein Spiel konzipieren?
N.
Dornauer:
Erst
war es reiner Spieltrieb, dann Faszination und schlussendlich
gestaltete
sich das Spiel als äußerst interessante Herausforderung. Es macht
Spaß
und fordert die Spielenden immer wieder heraus. IQmino ist praktisch
klein
und kann überall hin mitgenommen werden. Der Spielplan umfasst 100
Möglichkeiten,
alle Altersstufen von 3 bis 99 können es spielen und damit
ihre
Geschicklichkeit und Konzentration trainieren.
Natürlich
war ich schlussendlich für die komplette Umsetzung auf die Hilfe
Sehender
angewiesen, aber ich habe gute Freunde und Helfer. Für jedes
verkaufte
Spiel kann ich wieder Menschen helfen!
S.
Filipot-Bacher:
Wie
kommen Sie in unserer Gesellschaft mit Ihrer Erblindung zurecht?
N.
Dornauer:
Anfangs
war es sicher alles andere als leicht, aber ich kann an dieser
Stelle
nur sagen, blinde Menschen gehören in eine spezielle Blindenschule.
Integration
ist nicht wirklich hilfreich, niemand kann sich in das Leben
eines
Blinden versetzen. Erst muss man akzeptieren, dass das nun der
Ist-Zustand
ist, dann muss man sein Leben neu ordnen und andere Prioritäten
setzen.
Meine Konzentration richtet sich auf das Wesentliche, denn, mal
ehrlich,
muss ich jeden Schund im TV ansehen? Es gibt interessante
Hörbücher,
man kann schreiben, oder mit den neuesten Techniken kann ich
meinen
PC für den E-Mail Verkehr benutzen wie jeder Sehende.
Eines
liegt mir schon am Herzen: wenn jemand einem Blinden zum Beispiel
über die Straße helfen will, sollte vorher gefragt werden, ob er
das möchte und
man
sollte das Nein des blinden Menschen auch respektieren! Wir brauchen
Hindernisse
für unsere Orientierung, in der Blindenschule haben wir gelernt,
mit
all diesen Alltäglichkeiten auch umzugehen.
S.
Filipot-Bacher:
Wie
nimmt die Gesellschaft Ihre Blindheit auf?
N.
Dornauer:
Ich
glaube, da sind wir noch sehr rückständig. Viele Menschen halten
uns
Blinde
gleichzeitig für geistig behindert, oder einfach zu blöd zum Sehen,
um
es mal drastisch zu sagen. Ja, man hat mit ganz schlimmen Vorurteilen
zu
kämpfen,
aber natürlich umgibt man sich mit Menschen, die einen so annehmen,
wie man ist. Da habe ich viele positive Erfahrungen gemacht und wenn
das nicht so wäre, würde ich auch mein Engagement für die Armen
der Welt nicht ausführen können. Man kommt in der Gesellschaft
schon zurecht, auch die Mobilität ist mittels Taxi beispielsweise
garantiert.
S.
Filipot-Bacher:
Was
möchten Sie uns gerne auf den Weg mitgeben?
N.
Dornauer:
Uns
geht es so gut, wir sollten nicht mehr verbrauchen als wir brauchen!
Es
ist
ein Umdenken erforderlich in unserem materiell ausgerichteten Leben.
Ein
Beispiel:
wenn wir einen Meeresfisch essen, sterben neun andere dafür, ist
das
notwendig? Die Meere sind überfischt und bald leer, wie lange hält
das
Ökosystem
das noch aus? Es ist ja nicht nur das Meer, das ausgebeutet wird.
Jeder
kann seinen Teil dazu beitragen, dass der Hunger dieser Welt
eingeschränkt
wird, dass wir auf unserem Planeten auch zukünftig noch so gut
leben
können.
Ich
gebe auch sehr gerne Auskunft zu den Hilfe-Projekten, jede
Unterstützung
ist
wichtig! Es gibt so viel zu tun, so viele Menschen, die auf unsere
Hilfe
angewiesen
sind. Humanität sollte nicht nur ein Wort sein, es sollten auch
Taten
folgen!
Wir
bedanken uns bei Norbert Dornauer für sein Engagement und wir
staunen
über
seinen Antrieb, der aus seinem tiefsten Inneren kommt. Ein
außergewöhnlicher
Mensch gibt uns Einblick in eine uns Sehenden unbekannte
Welt
und die positive Kraft, die er daraus schöpft.
Er
sollte ein Vorbild sein und uns animieren, auch unseren Teil zu all
den
Ungerechtigkeiten
in der Welt gegenüber den mittellosen, unterprivilegierten
Menschen
zu tun.
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