Liköre und Schnäpse in der Heilkunde

Unterstützt das Schnapserl nach dem Essen tatsächlich die Verdauung? Haben Schnäpse und Liköre medizinische Wirkungen und helfen bei verschiedensten Leiden?

Was früher in Klöstern ganz im Sinne der Heilkunde hergestellt und nur schwer zu bekommen war, steht heute in jedem Supermarktregal – Kräuterliköre und klare Schnäpse. Über die Wirksamkeit der unterschiedlichen Alkoholika, auch selbst angesetzter, gibt es allerdings unterschiedliche Meinungen.


Hallo liebe FreundInnen!
Ich stelle euch heute einen Artikel ein, der im Oktober 2011 in der Kneipp-Zeitschrift von mir erschienen ist udn mir gut gefällt - ich hoffe euch auch! Viel Spaß beim lesen!

Eure sfb


Geschichtliches zu volksheilkundlichen Alkoholika

Liköre wurden ursprünglich zu rein medizinischen Zwecken hergestellt und kamen von einem Kreuzzug Ende des 13. Jahrhunderts mit Arnaldo von Villanova (Rektor der Fakultät für Medizin in Montpellier) nach Europa. Es wurden unterschiedlichste Heilpflanzen in Alkohol (oder Alkoholgemisch) eingelegt und danach destilliert. Damit man die zumeist sehr bitteren „Säfte“ auch trinken konnte, verwendete Villanova Honig, später wurde Zucker beigefügt. Für eine lange Zeit wurden diese zu Heilzwecken mazerierten Liköre ausschließlich in Klöstern und Apotheken hergestellt und verkauft.
Bald schon wurden Liköre allerdings nicht einzig zu Heilzwecken, sondern als aromatisches Genussmittel hergestellt und zu den Kräuter-Zutaten gesellten sich Früchte.

Schnäpse haben eine ähnliche Geschichte – arabische Ärzte zollten dem Branntwein außergewöhnliche Kräfte – im 14. Jahrhundert kamen die besonders zu Heilzwecken verwendeten Elixiere nach Europa. Auch der Schnaps wurde allerdings sehr bald eher wegen seinem hochprozentigen Anteil an Alkohol geschätzt. Und alsbald erkannten die Städte, dass man diesen steuerlich belasten könnte: Nürnberg erhob bereits im Jahre 1496 über den Fiskus Steuern für Spirituosen. Schnaps wird und wurde gerne auch einfach einmal spontan getrunken oder wenn es etwas zu feiern gibt, wie einen gelungenen Haukauf oder eine „Bruderschaft“. Branntwein wurde seinerzeit als „Geld“ bei Tauschgeschäften eingesetzt und in so manchem Haushalt steht der Obstler auch heute noch direkt neben dem Sparschwein.

Die Wirkung von Likör & Co

Das Stamperl nach dem Essen hat nicht nur bei uns Tradition. In vielen Ländern, wie Italien oder Frankreich gehört zu einem guten Essen einfach der Verdauungsschnaps danach oder der alkoholische Aperitif wie ein Pastis (Spirituose aus Frankreich, Grundzutat ist Anis) davor. Auch heute noch werden Liköre sehr gerne selbst angesetzt, Rezepte dafür gibt es en masse. Denn aus ganz individuellen Zusammensetzungen von Beeren, Kräutern oder Obst und auch Gemüse entstanden eigenwillige Hausmarken - Kreationen, die gerne Gästen offeriert wurden und natürlich immer noch werden. Über medizinische Wirkungen ist man sich nicht einig, Geschmack und Herstellung bieten jedoch vielen Erörterungen Platz.

Auf die Wirkung von Alkohol an sich möchten wir an dieser Stelle näher eingehen:
Auch wenn wir es immer schon so gehört haben: Nach einem guten, sprich fetten, Essen, passt ein Digestif in Form eines klaren Schnapses oder eines Kräuterlikörs – wissenschaftlich untermauert ist dies heute nicht mehr. In einer Almhütte wird uns nach der leckeren Speckjause ein Obstler serviert, in der Pizzeria ist es nach der Pasta oder Pizza der Averna. Denn im Volksmund heißt es, dass Hochprozentiges die Verdauung ankurbelt.

Alkohol ist in unseren Breiten seit dem Mittelalter als Medizin bekannt.
Seine heilsame Wirkung ist laut vielen alten Schriften dokumentiert. Auch gegenwärtig wird dem Alkohol allerlei positive Wirkung zugeschrieben, so kann beispielsweise Wein die Aufnahme von Vitamin C im Körper verbessern, Likör und Schnaps wirken verdauungsfördernd, schädliche Cholesterinbildung wird durch Alkohol verhindert oder durch die entspannende Wirkung von Alkohol sollten psychosomatische Heilungsprozesse begünstigt werden.
In vielen Medikamenten ist nach wie vor Alkohol enthalten. Schon Hippokrates ernannte Wein ganz offiziell als Heilmittel.

Dazu sei bemerkt: Zu viel Alkohol wirkt sich ganz schnell von möglichen positiven Eigenschaften ins Negative um! Dabei ist es völlig einerlei, um welche Art von Alkohol es sich handelt.

Womit wir bei den negativen Auswirkungen von alkoholischen Getränken auf den Körper wären:
Neue Studien besagen nämlich, dass das Stamperl nach dem Essen nichts bewirken kann. Es gibt keinerlei bewiesene positive Auswirkungen auf den Organismus, die Verdauung wird nicht angeregt. Laut Anton Proksch-Institut (Quelle Internet) kommt das Gefühl der Erleichterung nach einem schweren Essen und der anschließenden Konsumation von hochprozentigem Alkohol von der Betäubung der Magenschleimhäute.

Spricht man von positiven Wirkungen von Likör und Schnaps in der Volksheilkunde, so können eventuell ganz milde Formen gemeint sein, deren Wirkung aber nicht auf den enthaltenen Alkohol zurückzuführen ist, sondern auf die Begleitstoffe des Fermentierungsprozesses, beispielsweise von Kräutern. Die auch in den gegenwärtig zu erhaltenen Likören enthalten sind, da die alten Rezepte bei der Herstellung nach wie vor verwendet werden. Doch ist der Alkoholgehalt bei mindestens 30% zu finden, was keinesfalls als mild anzusehen ist.
So braucht der Körper nach einem guten Essen und anschließendem Genuss eines Schnapserls noch mehr Kraft, alles zu verdauen – denn die Leber hat durch den hochprozentigen Alkohol zusätzlich zu tun. Ein Stamperl hat zwar noch keine dauerhaft negativen Auswirkungen auf die Leber, wie eine Leberverfettung bei chronischem Alkoholismus, aber der Blutzuckerspiegel fällt – das bedeutet ganz nebenbei, dass man auch nach einem üppigen Essen schon wieder Hunger verspüren kann.

Wie entstand der Mythos Likör und Schnaps sei Medizin?

Als das Schnapsbrennen für die Bauern von Maria Theresia legalisiert wurde, wurde Gästen nach dem Essen ein Stamperl (oft auch mehr) serviert. Nicht selten nahm der Gast dann das eine oder andere Fläschchen Gebrannten mit, der Schnaps wurde weiter offeriert und trug viel zum gelungenen Ausklang eines Abends bei – soweit die gesellschaftliche Erklärung.
Die Tradition, dass Schnaps und Likör Medizin seien und die Verdauung anregen würden sowie bei so manchem anderen Leiden helfen konnten, stammt aus einer Zeit, als niemand um die negativen Wirkungen des Alkohols Bescheid wusste oder sich Gedanken darum machte.
Denn den Apothekern, Klosterbrüdern oder wesentlich früher den medizinisch Gelehrten der Antike ging es ja nicht explizit um die Herstellung von alkoholischen Getränken, es ging um die Gesundheit – Kräuter, Korn oder Obst war nach der Fermentation oder Mazeration einfach besser haltbar durch den Alkohol.
Und hier liegt der Kern der Likör- und Schnapsherstellung: ein medizinischer Ursprung, der heute wissenschaftlich zwar nicht mehr belegbar ist, aber im Grunde nur dazu gedacht war, den Menschen gesundheitlich zu helfen!


Rezept Anislikör:
Zutaten:
40 g Anissamen oder Anissterne
1 g Zimt
500 g Zucker
1 l Obstler (rd. 38 % v.o.l.)
Zubereitung:
Alle Zutaten vermischen, 6 Wochen stehen lassen, dabei immer wieder durchschütteln, durch einen Filter in Flaschen abfüllen.
Wirkung:
Ein gut geeigneter Likör für die Verdauung, stärkt den Kreislauf.

Text: Silvia Filipot-Bacher, Kneipp Zeitschrift 2011/10 

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